Wie man Effekte-Ketten einsetzt, um bessere Vocals zu bekommen (mit Mistress Barbara)
Die Pionierin unter den ProduzentInnen erklärt, wie man seine Vocals am besten bearbeitet, um sie fetter klingen zu lassen.
“Früher habe ich an mir selbst gezweifelt, wenn ich während der Musikproduktion Dinge instinktiv gemacht habe. Ich dachte: Vielleicht mache ich es nicht ‘richtig’. Doch nachdem ich mich diesem Selbstzweifel entledigt hatte und mir dachte ‘Scheiß drauf, ich mache das ganze auf meine Weise’, konnte ich fantastische Musikstücke erschaffen.”
— Misstress Barbara
In LANDRs neuer Reihe teilt Produzentin, DJ und Singer-Songwriterin Mistress Barbara ihre Tricks, Geheimnisse und Studio-Routine, um dir dabei zu helfen, den Selbstzweifel, der deinen kreativen Prozess behindert, hinter dir zu lassen.
Vocals sind knifflig. Sie erfordern eine Menge Bearbeitung, bis sie richtig in den Track passen. Zudem erfordern verschiedene Arten von Musik unterschiedliche Arten der Bearbeitung von Vocal-Spuren. Es gibt daher kein Allheilmittel für alle Vocal-Spuren.
Ich hatte damit auch so meine Probleme. Bis ich mir eines Tages dachte, “Scheiß drauf!”, und mich dazu entschieden habe, haufenweise Audioeffekte auf meine Vocal-Spuren zu legen. Das mag zwar nicht der ‘korrekten’ Bearbeitung von Vocals entsprechen, doch gibt es die wirklich? Vocals sind das, was ich mittlerweile am heftigsten bearbeite! Die Verfahren, die ich entdeckt habe, haben dazu geführt, dass meine Vocals hervorstechen und in meinen Tracks generell besser klingen.
Hier kommen ein paar Tipps für bessere Vocals und effizientere Effekte-Ketten.
Bearbeiten, bearbeiten, bearbeiten
Stelle zuerst sicher, dass du all deine Vocal-Aufnahmen korrekt bearbeitest. Das mag ein penibler Job sein, doch dadurch wird dein Track um einiges klarer klingen. Tricks wie Plugins, die das Rauschen verringern, oder Noise Gates wirken dabei Wunder.
Mit ‘bearbeiten’ meine ich das Entfernen jeglichen Rauschens und aller Pausen. Normalerweise lösche ich die langen Pausen gleich. Es gibt immer irgendeine Art von unbrauchbarem Hintergrundrauschen, sei es der Raumklang oder das Schlucken und Atmen der Sängerin oder des Sängers. Mit sehr sensiblen Mikrofonen hört man das alles und es klingt nicht gut!
Heißer Tipp: Denke an das Fade-In am Anfang und das Fade-Out am Ende jedes Vocal-Bereichs. So glättest du deinen Track und vermeidest unschöne Clips.
Du solltest nicht den Atemzug abschneiden, bevor die Sängerin oder der Sänger singt, da dieser zum Charme und der Emotion beim Singen dazu gehört. Das gilt beispielsweise für Pop, Rock oder Folk.
Du solltest nicht den Atemzug abschneiden, bevor die Sängerin oder der Sänger singt, da dieser zum Charme und der Emotion beim Singen dazu gehört.
Wenn du an einem Techno-Track arbeitest, interessiert sich niemand für den Atemzug. Es ist sogar fast besser, alle zu entfernen. Natürlich klingende Vocals sind nicht das Ziel, wenn man an einem Dance-Track arbeitet – hier kann man es mit den Vocals etwas bunter treiben. Roboterhaft klingenden Vocals können besser zum Track passen als natürlich klingender Gesang.
Sobald du damit fertig bist, solltest du dir Gedanken darüber machen, was du aus deinen Vocals rausholen möchtest. Arbeitest du an einem Popsong oder einem Techno-Track? Brauchst du ‘dreckige’ Vocals – wie als würde man sie durch ein Telefon hören -, oder sollen sie hell und klar sein? Dieser Schritt ist wichtig. Es kommt zum Beispiel nicht sehr überzeugend rüber, wenn in einem harten 90er Jahre Rave-Techno-Track helle und glasklare Vocals vorkommen, falls du weißt, was ich meine. Und umgekehrt…
Kreiere eine Wand aus Vocals
Kreiere eine, wie ich es nenne, ‘Backsteinmauer’ aus Vocals. Das passiert, wenn du deine Vocals mit jedem Take verdoppelst, verdreifachst oder sogar vervierfachst.
Wenn man viele Vocal-Schichten hat, kann man die Dicke so richtig spüren. Das klingt super für Pop-Songs, aber auch für Dance-Tracks. Sobald du ein paar Lagen hast, kannst du sie per Panning hart nach rechts und links schieben. Verschiebe manche weniger exzessiv und lasse manche im Zentrum. Das Ergebnis: Du hast eine gigantische Wand aus Vocals um dein Stereofeld herum.
Wenn du mit Live-SängerInnen arbeitest, ist es nicht ganz so einfach, Vocal-Spuren du verdoppeln. Nur wenige SängerInnen können einen Vocal-Take mit der gleichen Präzision wie zuvor wiederholen.
Wenn man viele Vocal-Schichten hat, kann man die Dicke so richtig spüren.
Dieses Problem umgehe ich, indem ich dieselbe Vocal-Aufnahme kopiere, in eine andere Spur einfüge und dann um ein paar Millisekunden verschiebe.
Heißer Tipp: Vergiss nicht, die duplizierte Spur mit einer anderen Art von EQing zu bearbeiten. So entsteht der Eindruck, die beiden seien zwei unterschiedliche Vocal-Spuren. Das mag nicht der beste Weg sein, erledigt jedoch die Arbeit.
Wiederhole dies so häufig wie nötig. Vermeide es stets, Kopien derselben Spur exakt übereinstimmend auszurichten. So entsteht ein Flanger-Effekt, der nicht wirklich gut klingt. Außer natürlich das ist genau das, worauf du aus bist, dann schlage ich vor, einen richtigen Flanger-Effekt zu benutzen.
Erweitere deinen Sound
Eine weitere Art, deinen Vocals Tiefe zu verleihen, ist der Einsatz eines Chorus-Effekts.
Chorus sorgt für einen volleren, dickeren Sound mit subtiler Bewegung. Er fügt deinem ursprünglichen Sound mehr Oberwellengehalt hinzu und verleiht ihm mehr Würze.
Ich benutze Chorus nicht für Pop-Vocals – für Pop bevorzuge ich mehrere Vocal-Schichten und nehme mit der Sängerin oder dem Sänger mehrere Male auf.
Für Techno ist es allerdings nett, wenn man ein wenig Chorus hinzufügt, da so die Vocal-Samples (oder so ziemlich jeder Synthesizer) breiter und größer klingen.
Bearbeite deine Effekte parallel
Es gibt Effekte, die sich am besten für individuelle Vocal-Spuren eignen, wie EQ und Kompression.
Andere Effekte wiederum benutzt man am besten für eine Busspur (in Ableton auch Return-Spuren genannt), nicht die individuellen Spuren. Zu diesen Effekten zählen Hall, Delay und Verzerrung.
Verzerrung auf Vocals? Aber hallo! Egal welche Art von Musik ich gerade mache, meistens füge ich meinen Vocals ein wenig Verzerrung hinzu. Das verleiht ihnen einen anderen Charakter (sie werden ein wenig dreckiger) und klingt interessant, wenn man sie mit der ursprünglichen, trockenen Vocal-Spur parallel mischt.
Du hast wahrscheinlich schon mal etwas von paralleler Kompression gehört. So ziemlich jeder Effekt klingt parallel eingesetzt super! Dieses Verfahren hilft dabei, die Dynamik und den Charakter des Originals zu erhalten, wahrend man nur so Effekt wie nötig hinzufügen kann.
Versuche es mit paralleler Verzerrung auf deinen Vocals für ein wenig zusätzliche Fülle. Und so machst du das Ganze mit Return-Spuren in Ableton Live:
- Wähle per rechtem Mausklick in der Session-Ansicht “Insert Return Track” aus
- Ziehe dein bevorzugtes Verzerrungs-VST auf die Return-Spur
- Füge deiner ursprünglichen Vocal-Spur anhand des Send-Reglers, der dem Buchstaben deiner verzerrten Return-Spur entspricht, Verzerrung hinzu.
- Mische zwischen deiner ursprünglichen Vocal-Spur und deiner Return-Spur je nach Geschmack
Du kannst das Ganze auch mit Hall- und Delay-Effekten ausprobieren.
Heißer Tipp: Lege einen EQ und einen Kompressor auf deinen Hall-Bus bzw. eine Return-Spur. Auf diese Weise wird auch der Hall-Effekt auf den Vocals mit EQ versehen und die Kompression verstärkt den Hall.
Klau dir meine hauseigene Effekte-Kette
Wenn ich Vocals für Techno-Breakdowns bearbeiten muss und sie etwas ‘verrückt’ klingen lassen will, kommt eine sehr präzise Effekte-Kette zum Einsatz, die ich auf jede Spur anwende.
Eine Effekte-Kette funktioniert von links nach rechts, wobei jeder Effekt, den man hinzufügt, alle anderen Effekte, die vor ihm kommen, beeinflusst, weshalb die Reihenfolge wichtig ist.
Versichere dich, dass du bei jedem Schritt deine Pegel durch Gain Staging auf einem gesunden Level hältst.
1. EQ
Lege damit los, deine Vocal-Spuren so zu EQen, wie es dir passt. Schneide die niedrigen Frequenzen ab – sie tragen viel Popping und Rauschen. Außerdem findest du den Charakter deiner Vocals nie in den niedrigen Frequenzen, sondern im unteren Mittelfeld und den mittleren Frequenzen. Daher ist es kein Problem, den unteren Bereich abzuschneiden. Deine Ohren weisen dir stets den Weg bezüglich wieviel su abschneiden kannst.
2. Kompressor
Du willst eine Vocal-Line, die einem direkt ins Gesicht springt, so wie jene in Popsongs? Oder willst du, dass alles etwas besser atmen kann? Anhand von Kompression findest du die richtige Formel.
Kompressoren senken die Lautstärke lauter Signalspitzen ab. Sie schneiden sogar jene Töne ab, die im Mix zu sehr hervorstechen. Auf diese Weise kannst du den Gain des gesamten Signals nach oben bringen, ohne dass es zu Clipping kommt. Kompressoren sind gängige Problemlöser, insbesondere in Hinblick auf Vocals.
3. Hall
Hall auf einer Vocal-Spur beeinflusst den gesamten Track. So löst sich die natürliche Verbindung der ursprünglichen trockenen Version mit der bearbeiteten Version, die du erhältst, wenn du parallel arbeitest.
Sollte das der von dir angestrebte Effekt sein, dann ran an den Speck. Sei jedoch vorsichtig mit Wet-Regler deines Halls um – falls es übertreibst, verlierst du deine Vocals komplett.
4. Delay
Genauso wie Hall ist Delay intensiver, wenn du ihn nur auf die Vocal-Spur legst. Übertreibe es jedoch nicht, sonst hüpfen deine Vocals querbeet durch deinen Mix.
Ich finde es super, wie Radiohead ihre Vocals bearbeiten, insbesondere ihren Delay. Am Ende eines Satzes hört man den Hall eines Wortes versetzt – ein wunderschöner Effekt. Ich möbel damit gerne ruhige Momente Momente auf, vor einem Break zum Beispiel.
Dazu musst du deinen Delay automatisieren:
- Befestige die Aufnahmetaste auf deiner Delay-Spur
- Drücke die Arrangement-Record-Taste
- Spiele die Spur ab und arbeite mit dem Wetness-Regler deines Delays: fahre ihn hoch, wenn sich das letzte Wort nähert, und fahre ihn ein paar Sekunden danach wieder runter.
5. Andere Effekte
Nach EQ, Kompressor, Hall und Delay kannst du andere Effekte hinzufügen. Es kann sein, dass manche ein wenig Automation brauchen, egal ob es sich um Filter, Chorus oder Verzerrung handelt.
6. Beende die Kette mit einem Kompressor
Indem du einen Kompressor ans Ende deiner Kette setzt, werden all deine Effekte verstärkt. So hält alles besser zusammen. Probiere es mit und ohne – du wirst den Unterschied hören.
Nutze entweder die Plugins deiner DAW oder andere kostenlose VST-Plugins.
Lege Delay auf deinen Hall
Ich finde es super, wie Radiohead ihre Vocals bearbeiten, insbesondere die Delays auf ihren Hall-Effekten. Am Ende eines Satzes hört man den Hall eines Wortes mit Delay belegt – ein wunderschöner Effekt. Ich möbel damit gerne ruhige Momente Momente auf, vor einem Break zum Beispiel.
Ich benutze diesen Effekt in meinem Song ‘Words’. Man hört ihn ungefähr bei 1:39:.
Many Shades Of Grey by Misstress Barbara
Dazu musst deinen Delay automatisieren. So machst du das in Ableton:
- Lege nach einem Hall-Effekt einen Delay auf deine Vocal-Spur (oder mache es parallel, wie oben beschrieben).
- Befestige die Aufnahmetaste der Spur mit dem Hall und Delay.
- Drücke die Arrangement-Record-Taste.
- Spiele die Spur ab und arbeite mit dem Wetness-Regler des Delays auf deinem Hall: fahre ihn hoch, wenn sich das letzte Wort nähert, und fahre ihn ein paar Sekunden nach wieder runter.
Vocals sind niemals zu breit
Es gibt meistens keine ‘richtige’ Weise, etwas zu tun, wenn es um Audioproduktion geht.
Über die Jahre hinweg hat mich das Produzieren sowohl von Techno als auch von Pop viel über das Mischen von Vocals gelehrt. Ich habe meinen ganz eigenen Stil entwickelt, um meine Vocals breit, groß und schmutzig zu machen.
Folge den oben stehenden Tipps, um so das Meiste aus deinen Vocals rauszuholen und dadurch einen besseren Mix zu bekommen.
Fortsetzung folgt! Bleib am Ball für den nächsten Artikel unserer Reihe, in der Misstress Barbara ihre Lieblings-Plugins vorstellt, direkt hier auf dem LANDR Blog.
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