Subtraktive Synthese: Sound-Design mit dem Synthesizer
Subtraktive Synthese klingt wie ein abstraktes wissenschaftliches Konzept.
Doch falls du bereits einen Synthesizer für die Musikproduktion eingesetzt hast, stehen die Chancen hoch, dass du sie bereits genutzt hast.
Das liegt daran, dass subtraktive Synthese die gebräuchlichste Art der Synthese ist. Sie stammt von analogen Synthesizern, kommt jedoch auch in vielen Synth-VSTs und digitalen Hardware-Synthesizern zum Einsatz.
Am Anfang ist es nicht leicht, subtraktive Synthese zu verstehen, doch davon solltest du dich nicht einschüchtern lassen.
In diesem Artikel erkläre ich dir alles, was du zum Thema subtraktive Synthese wissen musst, um so das perfekte Patch zu kreieren.
Was ist subtraktive Synthese?
Subtraktive Synthese ist eine Methode, mit der musikalische Klänge erzeugt werden, indem eine Wellenform mit einem anfänglich hohen Oberwellengehalt anhand von Filtern und anderen Prozessoren ausgedünnt wird.
Die Wellenformen mit viel Oberwellengehalt, von denen hier die Rede ist, sind simple Formen wie Sägezahn- oder Rechteckwellen.
Diese simplen Wellenformen können leicht mit einem Oszillator reproduziert werden, sind jedoch an sich nicht wirklich interessant.
Um sie musikalisch klingen zu lassen, musst du ihre Dynamik, Ausgewogenheit im Frequenzbereich und Textur bearbeiten.
Und da kommen die restlichen Prozessoren der subtraktiven Synthese zum Zug.
Signalfluss in einem subtraktiven Synthesizer
Um subtraktive Synthese zu verstehen, musst du jeden einzelnen Komponenten des Signalwegs kennen und wissen, wie sie sich jeweils auf den Sound auswirken.
Wie du bereits weißt, produziert der Oszillator die reichhaltige Wellenform, die als Ausgangspunkt für dein Patch dient.
Die anderen Komponenten eines typischen subtraktiven Synthesizers sind Filter, Verstärker, Hüllkurvengenerator und LFO.
Ich werde alle Komponenten im Detail durchgehen, doch damit du dir besser vor Augen führen kannst, wie ein Synthesizer funktioniert, ist hier ein Diagramm, das dir zeigt, wie alle Teile miteinander verbunden sind:
In diesem Diagramm kann sich der Modulator-Block auf ein LFO oder einen Hüllkurvengenerator beziehen. Dazu komme ich später.
Die meisten subtraktiven Synthesizer sind so gebaut, doch sofern du dich ein bisschen mit der Geschichte des Synthesizers auskennst, wirst du wissen, dass das nicht immer so war.
In den ersten Synthesizern war jede Komponente ein separates Modul, das manuell mit Kabeln gepatcht werden musste.
In den ersten Synthesizern war jede Komponente ein separates Modul, das manuell mit Kabeln gepatcht werden musste.
Diese Bauart nennt sich modulare Synthese. Man findet auch heute noch viele knallharte Fans des modularen Synthesizers, die das Eurorack-Format benutzen.
Viele der heutigen Rigs benutzen das gleiche subtraktive System wie die Original-Synthesizer.
Individuelle Module bieten dir massive Flexibilität, doch Synth-Designer*innen haben schnell festgestellt, dass die meisten Musiker*innen ihren Signalweg jedes Mal auf die gleiche Weise anordnen.
Diese Erkenntnis führte zu den ersten ganzheitlichen Instrumenten wie dem Minimoog. Seitdem verfügen subtraktive Synthesizer mehr oder weniger immer über den gleichen Signalfluss.
Dann schauen wir uns mal die Elemente der Signalkette genauer an.
Oszillator
Dein Synthesizer startet beim Oszillator. Auch wenn er lediglich der Ausgangspunkt des Unterfangens ist, haben die Oszillator-Einstellungen nichtsdestotrotz eine massive Auswirkung auf den Sound deines fertigen Patches.
Die meisten Oszillatoren bieten die Wahl zwischen verschiedenen Wellenformen. Die gängigsten sind:
- Rechteck
- Sägezahn
- Dreieck
Rechteckwellen haben den höchsten Oberwellengehalt, weswegen sie so lebhaft und hell klingen.
Ein Rechteck-Oszillator behält die meisten hohen Frequenzen nach dem Filtern bei. Doch Rechteckwellen haben andere interessante Qualitäten.
Manche Rechteck-Oszillatoren können die Form der Rechteck-Figur an sich verändern. Die Rechteck-Form dieser Oszillatoren wird Pulswelle genannt. Je nachdem, wie du die Pulsbreite einstellst, bekommst du unterschiedliche Ergebnisse – mehr dazu später.
Sägezahnwellen sind nach Rechteckwellen die Wellen mit dem größten Oberwellengehalt, haben jedoch einen etwas anderen Charakter. Dreieckwellen sind die mildeste Wellenform.
Heißer Tipp: Manche subtraktive Synthesizer haben einen Sinuswellen-Oszillator, bei den meisten ist das jedoch nicht der Fall, da man eine Sinuswelle einfach erzeugen kann, indem man eine Dreieckwelle mit einem Tiefpassfilter versieht – mehr dazu im nächsten Abschnitt.
Viele subtraktive Synthesizer haben mehr als einen Oszillator. Du kannst die Form, Frequenz und Menge der Verstimmung jedes Oszillators festlegen.
Indem du zwei Oszillatoren mit unterschiedlichen Formen und Frequenzen mischst, kannst du die simplen Wellenformen in der subtraktiven Synthese komplexer gestalten.
Indem du zwei Oszillatoren mit unterschiedlichen Formen und Frequenzen mischst, kannst du die simplen Wellenformen in der subtraktiven Synthese komplexer gestalten.
Aus diesem Grund ist das letzte Element des Oszillators normalerweise ein Mixer. Der Mixer kombiniert die Oszillator-Signale mit den anderen Klangquellen, die dein Synthesizer zu bieten hat.
Bei diesen Quellen kann es sich um einen Suboszillator, der eine Oktave tiefer spielt als dein Hauptoszillator, einen externen Audioeingang des Synthesizers oder Rauschen handeln.
Heißer Tipp: Rauschen ist ein weiteres tolles Tool, um mit einer komplexen Wellenform loszulegen. Es kann dabei helfen, der Attack von kurzen Sounds wie Zupfen und Percussions mehr Präsenz zu verleihen.
Filter
Das nächste Element in der Signalkette ist der Filter. An dieser Stelle findet die eigentliche “Subtraktion” statt.
Viele Synthesizer verfügen über Multimode-Filter, doch der gängigste Filtertyp in einem subtraktiven Synthesizer ist ein Tiefpassfilter.
Der Tiefpassfilter ist nach den Frequenzen benannt, die er durchlässt – er schneidet dementsprechend die hohen Frequenzen ab.
Wenn man die hohen Frequenzen auf dramatische Weise herausfiltert, verändert das den Sound. Jede Frequenzposition des Tiefpassfilters offenbart einen unterschiedlichen harmonischen Charakter des Original-Oszillators.
Jede Frequenzposition des Tiefpassfilters offenbart einen unterschiedlichen harmonischen Charakter des Original-Oszillators.
Deswegen ist die subtraktive Synthese so stark!
Die Resonanzsteuerung des FIlters erzeugt eine “Beule” bei den Grenzfrequenzen, die du dazu nutzen kannst, um den Sound noch mehr zu formen.
Spiele mit Grenzfrequenzen und der Resonanz deines Filters, um dir eine Idee dafür zu verschaffen, wie sie sich auf den Sound auswirken. Du wirst schnell feststellen, dass diese Parameter für viele der bekanntesten Synthese-Sounds verantwortlich sind.
Wie ich bereits erwähnt habe, kann es sein, dass dein Filter zusätzlich zum Tiefpassfilter über weitere Modi verfügt, mit denen du den Frequenzbereich auswählen kannst, der aus dem ursprünglichen, reichhaltigen Signal herausgeschnitten werden soll.
Hochpassfilter sind das Gegenteil von Tiefpassfiltern und schneiden die niedrigen Frequenzen eines Signals ab. Ein Bandpassfilter schneidet alles außerhalb eines dünnen Bandes um die zentrale Frequenz herum ab.
Der letzte grundlegende Parameter deines Filters kann ein “Poles”-Schalter sein. Er wird manchmal mit “2-pole/4-pole” oder “12 dB/octave or 24 dB/octave” gekennzeichnet.
12 dB/octave or 2-pole ist sanfter, wohingegen 24 dB/octave einen steilen Abfall unter die Grenzfrequenz bedeutet.
Im Hinblick auf Filter gibt es noch viel mehr als diese Grundlagen, doch wir machen uns auf zum nächsten Element in der Signalkette.
Verstärker
Die nächste Komponente in einem subtraktiven Synthesizer ist der Verstärker. Dieser Teil dreht das Signal bis zu einem Pegel auf, der laut genug ist, um es mit anderem Equipment wie einem Mixer oder Audio-Interface zu verknüpfen.
Ein Verstärker ist an sich nicht besonders spannend, sondern es ist das Element, das ihn kontrolliert, das dir so viele Möglichkeiten fürs Sound-Design bietet.
Und damit meine ich die Hüllkurvengeneratoren, die wir uns als nächstes anschauen wollen.
Hüllkurvengeneratoren
Hüllkurvengeneratoren sind eine der Arten, wie du im Laufe der Zeit Veränderungen in deinem Patch erzeugen kannst.
Sie sind absolut zentral, wenn es darum geht, mit Hilfe von subtraktiver Synthese tolle Sounds zu kreieren.
Viele Synthesizer haben ein paar dieser Teile, doch die häufigste Konfiguration ist ein Hüllkurvengenerator, der auf den Verstärker einwirkt, und ein anderer Hüllkurvengenerator, der auf den Filter einwirkt.
Ich fange mit dem Verstärker an, weil er einfacher zu verstehen ist.
Wenn ein Hüllkurvengenerator auf den Verstärker eines Synthesizers einwirkt, verändert das der Form der Hüllkurve entsprechend den Sound.
Wenn ein Hüllkurvengenerator auf den Verstärker eines Synthesizers einwirkt, verändert das der Form der Hüllkurve entsprechend den Sound.
Sobald du eine Taste auf deinem Synthesizer drückst, startet der Hüllkurvengenerator einen Zyklus, der sich durch vier Phasen bewegt: Attack, Decay, Sustain und Release.
Diese werden im Allgemeinen mit ADSR abekürzt.
Ich werden im Folgenden jeden Begriff im Detail erklären und darlegen, wie sie sich auf deinen Sound auswirken, wenn sie mit dem Verstärker deines Synths verknüpft sind:
Attack
Die Attack (“Attacke”) kontrolliert die ersten Momente der Lautstärke deines Sounds. Sie legt fest, ob er druckvoll und abrupt oder eher mit einem allmählichen Fade-In beginnt.
Die Attack-Steuerung wird in Zeiteinheiten – für gewöhnlich Millisekunden – gemessen. Sie bestimmt, wie lange es dauert, bis ein Sound seine maximale Intensität erreicht.
Nutze minimale Attack-Zeiten für scharfe Sounds und eine längere Attack-Zeit für Ambient-Pads:
Decay
Decay (“Zerfall”) legt fest, wie lange es dauert, bist dein Sound auf dem Pegel ankommt, auf dem er fortfahren wird, bis du deinen Finger von der Taste nimmst.
Decay wird ebenfalls in Zeiteinheiten gemessen. Kurze Decay-Zeiten erzeugen einen dramatischeren Abfall der Lautstärke nach der Spitze.
Auf diese Weise erzeugst du hochdynamische Sounds wie Zupfen oder Snares.
Sustain
Sustain (“Erhalt”) regelt den allgemeinen Pegel deines Sounds, wenn die Attack- und Decay-Phase vorbei ist.
Sustain wird in dB gemessen. Ein niedriger Sustain-Wert sorgt dafür, dass der Unterschied zwischen dem Anfang des Sounds und seinem “Körper” dramatischer ist.
Release
Release (“Loslassen”) regelt die Zeit, die es dauert, bis dein Sound vom Pegel der Sustain-Phase zur Stille verklingt.
Längere Release-Zeiten verleihen Noten eine kriechende Hallfahne, wohingegen kürzere Release-Zeiten Noten direkt, nachdem du die Taste loslässt, abschneiden.
Filter-Hüllkurven
Gerade habe ich den Effekt beschrieben, den eine Hüllkurve auf den Verstärker eines Synthesizers haben kann. Doch Hüllkurven können auch auf alle anderen Parameter einwirken – genauso wie ein LFO.
Man sieht sie häufig auf Filtern, wo sie die Animation der Grenzfrequenz im Laufe der Zeit kontrollieren.
Die ADSR-Parameter funktionieren hier auf die gleiche Weise, doch ihre Auswirkung auf den Sound ist vollkommen anders.
Experimentiere mit den Hüllkurven deines Filters, um herauszufinden, inwiefern die verschiedenen Regler deinen Synth-Sound beeinflussen.
LFO
Das letzte wichtige Element in der subtraktiven Signalkette sind LFOs.
LFO steht für Low Frequency Oscillator (Niedrigfrequenzoszillator). Sie ähneln regulären Oszillatoren, haben jedoch eine Besonderheit.
Diese Oszillatoren verfügen über genau die gleichen Formen wie deine Haupt-Signalgeneratoren, doch sie operieren auf einer viel niedrigeren Frequenz – so niedrig, dass man sie nicht unbedingt als musikalischen Ton wahrnimmt.
Stattdessen erzeugen LFOs sich wiederholende Modulationen in deinem Synth-Sound.
Stell dir vor, du hättest eine zusätzliche Hand, mit der du einen Regler auf deinem Synth jedes Mal zur exakt gleichen Rate vor- und zurückdrehen könntest – das ist LFO-Modulation.
Du kannst LFOs mit vielen unterschiedlichen Paramtern deines Synthesizers verknüpfen. Um dir eine Idee dafür zu verschaffen, welche Resultate LFOs liefern können, sind hier ein paar gebräuchliche Routing-Optionen, die bekannte Effekte erzeugen:
Die Summe aller Teile
So viele Elemente – da kommt man sich schnell überfordert vor, doch das Kreieren von Sounds mit Hilfe von subtraktiver Synthese macht Spaß und ist im Grunde sehr intuitiv.
Wähle den Ausgangs-Sound mit dem Oszillator, forme seine Frequenzausgewogenheit mit dem Filter, animiere ihn mit LFOs und lege seine Hüllkurven mit ADSR fest.
Um das Ganze zu vereinfachen, schauen wir uns doch einfach die grundlegenden Elemente in der Reihenfolge an, die du benutzen würdest, um einen Sound zu bauen:
Wähle den Ausgangs-Sound mit dem Oszillator, forme seine Frequenzausgewogenheit mit dem Filter, animiere ihn mit LFOs und lege seine Hüllkurven mit ADSR fest.
Und das ist auch schon alles!
Wenn du dich erst einmal an diese Art der Signalverarbeitung gewöhnt hast, wirst du relativ schnell ohne Probleme coole Synth-Sounds bauen können.
Jetzt da du die Grundlagen kennst, kannst du dich wieder an deine DAW setzen und ein paar Patches kreieren.
Verpasse keinen Post aus dem LANDR Blog