Richtcharakteristiken von Mikrofonen: Wie man Mikros besser einsetzt
Die Richtcharakteristiken von Mikrofonen haben starke Auswirkungen auf die Sounds, die du aufnimmst.
Als ich meine ersten Aufnahmen gemacht habe, wusste ich nicht wirklich viel über Mikrofone oder ihre Funktionsweise.
Doch ich hatte einen großen Durchbruch, als ich verstanden habe, wie Richtcharakteristiken die Aspekte des Tracks, den du aufnimmst, beeinflussen können.
Was sind Richtcharakteristiken von Mikrofonen?
Richtcharakteristiken beschreiben die Art, wie ein Mikrofon Klänge von Quellen, die um es herum positioniert sind, aufnimmt.
Zu verstehen, wie die Richtcharakteristik eines Mikrofons funktioniert, hilft dir dabei, das Mikro so zu positionieren, dass du den Sound bekommst, den du haben willst.
Was passiert, wenn du ein Mikrofon in die eine oder die andere Richtung richtest? Die meisten von uns haben wahrscheinlich intuitiv eine Idee, wie das klingen wird – doch was steckt wirklich dahinter?
In diesem Artikel erkläre ich alles, was du zum Thema Richtcharakteristiken von Mikrofonen wissen musst, um bessere Aufnahmen zu machen.
Nullpunkte und Nahbesprechungseffekt
Die fünf Richtcharakteristiken von Mikrofonen sind Kugel, Niere, Superniere, Hyperniere und Acht.
Wir werden uns jede einzelne im Detail anschauen, doch um Richtcharakteristiken zu verstehen, müssen wir uns zunächst ein paar anderen Aspekte widmen.
Falls du ein Mikrofon mit mehreren Richtcharakteristiken hast – wie eines von jenen, die wir als beste Mikros für Anfänger*innen empfehlen -, kann es sein, dass du mit den Diagrammen der Richtcharakteristiken deines Mikros bereits vertraut bist.
Sie werden häufig als Teile eines Kreises dargestellt. Doch diese Idee solltest du schnell vergessen, denn Richtcharakteristiken sind dreidimensional. Sie sind Teil einer Kugel, nicht Teil eines Kreises.
Richtcharakteristiken sind dreidimensional. Sie sind Teil einer Kugel, nicht Teil eines Kreises.
Wenn man sie sich in Bezug auf ein Mikrofon anschaut, macht das Ganze mehr Sinn:
Was uns zu unserem nächsten Punkt bringt: den Nullpunkten. Die Richtcharakteristik gibt an, was ein Mikro einfängt, doch es ist noch wertvoller zu wissen, was es nicht einfängt.
Wenn du dir das Beispiel anschaust, kannst du sehen, dass die Acht Klänge, die im 90-Grad-Winkel zur Achse eintreffen, komplett zurückweist.
Andere Richtcharakteristiken haben andere Zonen der Empfindlichkeit. Diese Positionen werden auch als “Nullpunkte” eines Mikrofons bezeichnet.
Ich zeige dir später, wie du diese Nullpunkte zu deinem Vorteil nutzen kannst. Doch jetzt kümmern wir uns zunächst um den letzten Aspekt von Richtcharakteristiken: den Nahbesprechungseffekt.
Nahbesprechungseffekt bedeutet, dass die Intensität der niedrigen Frequenzen, die ein Mikrofon einfängt, zunimmt, je näher es an der Quelle platziert wird.
Wenn man die Nullpunkte eines Mikrofons, seine Richtcharakteristik und den Nahbesprechungseffekt in Betracht zieht, hast du im Grunde ganz schön viel Kontrolle über den Sound, den du in dein DAW aufnimmst – und all das, noch bevor du das erste Plugin eingesetzt hast!
Genau das ist es, was Ingenieur*innen meinen, wenn sie sagen, dass man den Sound schon an der Quelle korrekt einfangen muss. Der korrekte Einsatz deiner Mikros ist der Weg zu diesem Ziel. Und um diesen Weg korrekt zu beschreiten, musst du dich mit Richtcharakteristiken auskennen.
1. Kugel
Fangen wir mit der einfachsten an.
Ein Kugelmikrofon fängt Klänge mit gleicher Intensität aus allen Richtungen ein. Deshalb wird es manchmal auch als omnidirektionales Mikrofon bezeichnet.
Wahre Kugelmikros haben keinen Nahbesprechungseffekt. Das heißt, dass du ein Kugelmikro so nah an einer basslastigen Quelle positionieren kannst, wie du willst, ohne dass du zu viel Low End einfängst.
Dadurch klingen sie zudem natürlicher und sind weniger empfindlich als andere Mikrofone, was die Positionierung angeht.
Ihr Nachteil ist, dass sie auch Sounds aus unerwünschten Quellen einfangen, weil ein Kugelmikro alles um sich herum “sieht”.
2. Niere
Mikrofone mit einer Nieren-Richtcharakteristik fangen eine große Bandbreite an Klängen vor der Kapsel ein, ein paar zu den Seiten und um einiges weniger hinter der Kapsel.
Der Nullpunkt eines Nierenmikros befindet sich direkt hinter dem Mikro bzw. im 180-Grad-Winkel.
Nierenmikrofone haben einen moderaten Nahbesprechungseffekt, weshalb sie sich prima dazu eignen, Vocal-Nahaufnahmen mehr Fülle zu verleihen und damit den “Stimme Gottes”-Effekt zu erzeugen, ohne dass man die Kontrolle verliert.
3. Superniere
Superniere ist eine Variation der Niere, die über einen engeren Einfangwinkel vor der Kapsel und eine leichte Empfindlichkeit hinter der Kapsel verfügt.
Superniere bietet bessere Zurückweisung an den Seiten als Niere. Seine Nullpunkte befinden sich im 126-Grad-Winkel und es verfügt über einen ausgeprägten Nahbesprechungseffekt.
4. Hyperniere
Hyperniere ist eine noch engere Version als Superniere. Hypernierenmikrofone sind extrem direktional und hochempfindlich in Hinblick auf ihre Platzierung.
Ihre Nullpunkte treten bei 110 Grad auf, wodurch ihr Einfangwinkel nach vorne recht klein ist.
Hypernierenmikros sind sogar noch besser in der Zurückweisung von Sounds an ihren Nullpunkten als Supernierenmikros und verfügen über einen noch ausgeprägteren Nahbesprechungseffekt.
5. Acht
Die Acht-Richtcharakteristik verfügt vorne und hinten über einen engen Einfangwinkel, sowie über Nullpunkte bei 90 Grad.
Achtermikrofone bieten die beste Zurückweisung an den Nullpunkten, die praktischerweise leicht bei 90 Grad zu lokalisieren sind.
Achtermikros eignen sich prima für eine distanzierte Mikroplatzierung, da man das Mikrofon schlicht und ergreifend von der Quelle wegrotieren kann, um mehr Raumreflexionen einzufangen, ohne die Verzögerung zwischen Mikro und Quelle zu vergrößern.
Bessere Positionierung dank Richtcharakteristiken
Falls du bereits live ein Schlagzeug aufgenommen hast, weißt du bestimmt, was jetzt kommt…
Wenn sich andere Sounds in den eigentlich gewünschten Sound einmischen, weil die Mikrofone schlecht platziert wurden, kann das dazu führen, dass das Mischen zum Albtraum wird.
Wenn sich andere Sounds in den eigentlich gewünschten Sound einmischen, weil die Mikrofone schlecht platziert wurden, kann das dazu führen, dass das Mischen zum Albtraum wird.
Exzessiver Becken-Sound in nahe positionierten Mikros kann dazu führen, dass man keines der Elemente des Drum-Kits aufdrehen kann, ohne dass man alles andere mit aufdreht.
In dieser Situation bekommt man, wenn man versucht, die Rack-Tom um ein paar dB aufzudrehen, eine massive Dosis an schrillen, unbrauchbaren Becken-Sounds.
Das gleiche Problem tritt auf, wenn du eine*n Songwriter*in aufnimmst, der oder die gleichzeitig singt und Gitarre spielt.
Der Trick besteht darin, die Nullpunkte deiner Mikrofone so einzusetzen, dass du aufnimmst, was du haben willst, und auslässt, was du nicht haben willst.
Versuche, deine Mikros so zu positionieren, dass all das, was du zu minimieren versuchst, in den Nullpunkten liegt.
Und auch den Nahbesprechungseffekt solltest du berücksichtigen. Falls du das Low End etwas aufpeppen willst, kann dir der Nahbesprechungseffekt dabei helfen, das bereits an der Quelle zu erledigen.
Die Richtcharakteristik richtet’s
Wenn du Richtcharakteristiken verstehst, verändert das die Art und Weise, wie du mit Mikrofonen umgehst, komplett. Die richtige Wahl und Platzierung des Mikros können den Unterschied zwischen einem großartigen Mix oder einem zeitaufwändigen Kampf bedeuten.
Wenn du erstmal die Richtcharakteristiken deiner Mikros miteinbeziehst, wirst du bald noch vor der Aufnahme über deinen Mix nachdenken – und so ein besseres Endergebnis bekommen!
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