Gain Staging: Wie man dank gesunder Pegel einen besseren Mix bekommt
Es ist nicht einfach, einen guten Mix zu bekommen, der sowohl klar ist als auch viel Punch hat. Gutes Gain Staging hilft dir dabei.
Das hast du bestimmt schon einige Male gehört: Du musst dem Gain Staging mehr Aufmerksamkeit schenken! Du musst beim Mixen Headroom lassen!
Aber worum handelt es sich dabei überhaupt? Gibt es eine bestimmte Menge an Headroom, die du haben solltest? Wie sollte deine Gain Staging strukturiert sein, damit es durch den kompletten Mix hinweg optimal ist?
Diese kurze Zusammenfassung hilft dir hoffentlich dabei, zu verstehen, was Headroom und Gain Staging genau ist und weshalb es wichtig ist – selbst in der schönen neuen digitalen Welt.
Was ist Gain Staging?
In den guten alten Zeiten des analogen Recordings gab es hauptsächlich zwei Dinge zu beachten, wenn man ein gesundes und sauberes Signal haben wollte:
- Grundrauschen
- Headroom
Gutes Gain Staging war das Mittel der Wahl von ToningenieurInnen, um im sicheren Mittelfeld zwischen den beiden zu bleiben. Dabei wurde sichergestellt, dass die Gain-Struktur zwischen allen Geräten korrekt eingestellt war.
Dadurch wurde gewährleistet, dass jedes Gerät auf dem Signalweg über seinen Eingang einen optimalen Signal-Pegel empfängt sowie einen optimalen Signal-Pegel zum nächsten Gerät in der Kette sendet.
Grundrauschen ist das dem Signalweg inhärente Rauschen, inklusive des Aufnahme-Mediums (damals war es das Magnetband). Ziel war es, das Signal so weit wie möglich über dem Grundrauschen zu halten, um das Signal-Rausch-Verhältnis zu maximieren.
Das sorgte dafür, dass die leiseren Passagen nicht durch unerwünschtes Rauschen verdeckt wurden.
Das einzige Problem, das entstand, wenn man versuchte, sein Signal so weit wie möglich über dem Grundrauschen zu halten, war, dass man sich mit dem Headroom in die Quere kam.
Was ist Headroom?
Headroom beschreibt den Raum, den dein Audiosignal hat, bevor es unkomprimiert und verzerrt klingt.
Jedes Aufnahmemedium verfügt über eine begrenzte Menge an Headroom. Wenn du versuchst, ein Signal aufzunehmen, das lauter ist als das, was das Medium fassen kann, dann werden die Spitzen der Wellenform abgeschnitten, was wir dann als Verzerrung hören.
In Analog-Schaltungen und Tonbandgeräten entfaltete sich Headroom graduell. Wenn man das Signal über ein gewisses Limit pushte, bekam man am Anfang einen sanften Kompressions-/Sättigungseffekt und dann mit zunehmender Signalstärke eine immer offensichtlichere Verzerrung.
ToningenieurInnen versuchten stets, die beste Balance zwischen dem Grundrauschen und den Verzerrungen an den Spitzen zu finden – darum geht es letzten Endes beim Gain Staging.
Digitales Gain Staging: vollkommen linear
Bei digitalem Tonmaterial bestehen viele dieser Probleme in Hinblick auf die Gain-Struktur nicht mehr. Grundrauschen ist in Zeiten der 24 Bit kein wirkliches Sorgenkind mehr, da der Pegel des Systemrauschens so niedrig ist, dass er keine wirklichen Auswirkungen mehr auf das Signal hat.
Headroom ist auch kein Problem mehr. Was nicht heißt, dass er nicht nach wie vor noch wichtig wäre!
Das digitale Medium hat ein absolutes Limit (0dBFS für “decibels Full Scale” oder “Dezibel Vollskala”). Jedes Signal darüber wird abgeschnitten. Doch bis zu diesem Punkt ist das digitale Medium vollkommen linear, sodass Kompression und Verzerrung nicht graduell einsetzen, wie das bei analogen Aufnahmen der Fall ist.
Stetiges Staging
Soweit so gut. Warum solltest du dir jedoch den Kopf über Gain Staging zerbrechen, wenn das digitale Recording doch offensichtlich schon alle Probleme beseitigt hat?
Der Hauptgrund dafür besteht zunächst darin, dass auch die digitale Kette mindestens eine, normalerweise sogar zwei analoge Phasen (Stages) enthält (kleiner Hinweis – dafür steht das A in deinen AD- und DA-Umwandlern).
Wenn du etwas aufnimmst, muss dein Signal zuerst durch eine analoge Phase, bevor es zu digital umgewandelt werden kann. Außerdem muss es auf dem Weg zu deinen Monitoren wieder zurück zu analog umgewandelt werden.
In diesen analogen Phasen kann es zu den bereits erwähnten Problemen in der Gain-Struktur kommen:
- Ist dein Signal bei der Aufnahme zu schwach, musst du etwas gegen das Grundrauschen unternehmen.
- Ist dein Signal bei der Aufnahme zu stark, kommt es zu Verzerrung und Clipping.
Dementsprechend ist es ratsam, die Pegel bei der Aufnahme zurückhaltend einzustellen. Eine gute Faustregel dabei ist, -18dBFS als Äquivalent für den Analog-Standard 0dBVU zu nehmen.
Wenn du deine Spitzen so hältst, dass sie weit viel über -10dBFS liegen, und du den durchschnittlichen Pegel bei ca. -18dBFS hältst, sollte das dafür sorgen, dass dein Signal genau im Mittelfeld verläuft.
Behalte dabei im Hinterkopf, dass dynamischere Instrumente wie Drums oder Percussions eventuell mehr Raum brauchen, da ihre Signale recht hohe Spitzen haben können.
Gain Staging für Plugins
Selbst wenn du digital arbeitest, solltest du einen genaueren Blick auf deine Plugins werfen. Wie viele von ihnen sind analogem Equipment wie Kompressoren, EQs, Konsolkanälen, Tonbandmaschinen etc. nachempfunden?
Wenn sie in ihrer Funktionsweise nah am analogen Original sind, weisen auch sie ‘nicht-lineares’ Verhalten auf. Dementsprechend gelten hier dieselben Regeln: Je mehr du sie pushst, desto mehr Kompression, Sättigung und Verzerrung entsteht.
Das muss nicht immer schlecht sein. Man kann das beispielsweise nutzen, um den Ton weiter zu formen. Generell gilt jedoch: Wenn du deine sämtlichen Plugins auf hohen Pegeln laufen lässt, führt das im Endeffekt dazu, dass dein Mix hart, brüchig und zweidimensional klingt.
Hier gelten dieselben Regeln: Je mehr du dein Signal pushst, desto mehr Kompression, Sättigung und Verzerrung entsteht.
Daher bist du auf der sicheren Seite, wenn du wie bei der Aufnahme auch hier optimales Gain Staging einsetzt, wobei -18dBFS sich gut als durchschnittlicher Pegel eignet, den man anstreben sollte. Eine zurückhaltende Vorgehensweise hilft dabei, über den kompletten Mix hinweg eine gute Gain-Struktur aufrechtzuerhalten.
Besseres Gain Staging für einen besseren Mix
Wenn du es richtig anstellst, wirst du feststellen, dass die Pegel deines Master-Busses so niedrig sind, dass du dir keine Sorgen um Clipping machen musst.
Daher solltest du ausreichend Zeit in Headroom und Gain Staging investieren, um somit ohne Angst vor den Fadern dem Mixen nachgehen zu können.